Die Geburt sollte eingeleitet werden. Ich bekomme zuerst Propess® als Vaginalinsert. 24 Stunden danach ein Misodel®-Insert. Risiken werden nicht besprochen, eine Sectio in der Anamnese wird nicht weiter beachtet, obwohl sie eine Kontraindikation darstellt, wie ich später erfuhr. Stundenlang tut sich nichts, dann Wehensturm, Panik, Gebärmutterriss, hoher Blutverlust, Notkaiserschnitt, unser Sohn wird totgeboren, reanimiert und zur Kühlung nach Hannover gefahren. Ich wache nach 12 Stunden auf der Intensivstation auf und erinnere mich an nichts. Monate später können wir sagen, dass unser Kleiner alles gut überstanden hat – trotz schwerer Asphyxie und damit verbundener katastrophaler Prognosen, was uns zunächst verschwiegen wird. Erst im Gespräch mit anderen Ärzten in der Folgezeit wird uns das Ausmaß der möglichen Schädigung bewusst. Ich bin auch wieder gesund, mir wird jedoch von einer weiteren Schwangerschaft dringend abgeraten. Einige Ärzte sind da anderer Meinung, aber mein Mann hat die Katastrophengeburt hilflos miterlebt, er hat geweint und gebetet, als eine Krankenschwester ihm mitteilte, sie wisse nicht, ob Mutter und Kind gerettet werden könnten, und niemand, weder an jenem Tag im Krankenhaus noch in der Folgezeit, hat sich je erkundigt, wie er mit dem Trauma fertig wird. Wie viele Väter haben ein ähnliches Drama bei mehr oder weniger glücklichem Ausgang durchgemacht? Offene Berichte von Betroffenen finden wir nicht. Väter müssen alleine verarbeiten, dass sie Frau und Kind im Kreißsaal dem Tod nah oder gar tot sahen. Oder mit einem geistig oder körperlich beeinträchtigten Baby infolge der Asphyxie klarkommen. Unsere Bemühungen, das Krankenhaus zu verklagen oder zumindest im Wege der Schlichtung eine Entschädigung zu erhalten, verlaufen ins Leere. Schlimmer noch: Ich erhalte Hausverbot in der gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses. Unser Vertrauen in die Ärzte ist endgültig und irreparabel erschüttert. Aber mehr als der Kampf um Schadensersatz oder Schmerzensgeld quält uns die Vorstellung, nie ein gemeinsames zweites Kind bekommen zu dürfen. Dabei wünschen wir uns so sehr ein Geschwisterchen für unseren wunderbaren Sohn. So sehr, dass wir noch vor der Geburt bereits einen weiteren Eizellspenden-Vertrag mit BioTexCom unterschrieben hatten.
