Ein Jahr Krieg und kein Ende. Unsere Gedanken sind mit dem Team von Biotexcom, mit den Wunscheltern vor Ort, mit den Leihmüttern, mit den Babys, mit allen, die dort vor Ort für einen normalen Tagesablauf sorgen. Wir hoffen inständig, dass der Alptraum bald endet…
Monat: Februar 2023
16. Februar
Ich möchte mehr über die eingefrorenen Embryonen erfahren. Sind sie so gut, dass sie sich einnisten können?
Die Antwort aus Kiew beruhigt mich:
„also schlechte oder nicht potentiell starke Embryonen frieren wir nicht ein.
Deswegen können ganz ruhig den Kryotransfer planen.
Sobald ich mehr weiß, melde mich bei Ihnen.
Schönen Tag noch,
R.“
„Wir haben noch 2 gute Blastozysten übrig auf Eis, nach letzten Transfer und können die für nächsten Transfer benutzten. Wenn es wird nicht klappen, dann werden Samenabgabe einplanen.“
Oha. Es sind Blastozysten übrig, sie sind eingefroren worden. Bis vor Kurzem wurde das nicht angeboten. Mir selbst hat es immer wieder leid getan, dass überzählige Embryos verworfen wurden. Wird die Kryokonservierung aufgrund des Kriegs angeboten? Denkbar wäre es. Jetzt fragen wir uns aber, ob die Chancen auf eine Schwangerschaft mit „Eisbärchen“ genauso sind wie mit frischen Embryos. Angeblich ähnlich gut, kann man im Internet lesen. Das ist sicher auch ein wenig Glückssache und hängt von dem Können und der Technik in Kiew ab. Insofern machen wir uns keine Sorgen. Wichtig ist, dass sich unsere Leihmutter erholt und uns erhalten bleibt. Wir sind gespannt, wann sich R. wieder melden wird. Sechs Wochen, zwei Monate, drei? Ich werde um Ostern herum fragen.

Valentinstag
Vor genau 6 Jahren hielt ich nach einem Embryo-Transfer in Kiew einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand, ich zeigte ihn meinem Mann, er konnte es nicht fassen. Er schenkte mir Blumen und weinte vor Freude. Die Freude währte nur kurz – einige Tage danach bekam ich eine Blutung. Daran musste ich mich erinnern heute auf dem Weg zur Arbeit. In der Mittagspause sehe ich eine Mail im Postfach. Von BioTexCom. Ein mieses Gefühl … bestätigt sich leider. Unsere Leihmutter wurde mit einer Blutung ins Krankenhaus gebracht, schreibt mir K. Am Ultraschall war kein Embryo sichtbar. Ausschabung. Eine Leihmutter ist insofern nicht besser oder sicherer als jede andere Frau auch. Für ihren Körper sind Embryos aus einer Eizellspende genauso fremd wie damals für mich. Das Immunsystem wird zwar mit geeigneten Medikamenten leicht gedämpft, sowohl in der Vorbereitungsphase vor dem Transfer als auch danach. Das ist aber keine Garantie. Von unendlich glücklich bis unendlich traurig – so schnell kann das gehen. Müssen wir jetzt eine Fahrt nach Kiew zur Samenabgabe planen? Mein Mann will wissen, ob es denn möglich wäre, in einer Kinderwunschklinik oder Samenbank in Deutschland abzugeben, die dann geeignet gekühlt nach Kiew verschickt. Schließlich kann hier jede Frau mit Kinderwunsch Sperma im Internet bestellen, die Lieferung kommt mit der Post, dänische Anbieter werben dafür. Ich frage R. Es ist übrigens seltsam, dass sich niemand über Samenspenden aufregt, wohl aber über Eizellspende und Leihmutterschaft
Eine Mail aus Kiew im Postfach. Nicht von R., sondern von ihrer Assistentin K. Betreff: Schwangerschaftstest. Ich traue mich kaum, sie zu öffnen. Eine Leihmutter muss nicht auf Anhieb beim ersten Versuch schwanger werden. Wird mein Mann traurig sein, wenn es nicht geklappt hat? Auf jeden Fall müsste er sich dann demnächst wieder auf den Weg nach Kiew machen. Fliegen oder fahren, das wäre dann die Frage. Wir hören immer wieder, dass sowohl der Landweg dahin über Polen als auch ein Direktflug nach Kiew trotz anhaltenden Krieges sicher sei. Aber wenn es konkret wird, macht man sich doch Gedanken. „Ihre Leihmutter ist schwanger, der HCG ist 1140“. Ich falle fast um vor … ja was eigentlich? Freue ich mich? Ja, riesig, aber gleichzeitig kommt etwas Trauer hoch in mir.
Blut oder Urin?
Ja, ich wäre es so gerne selbst gewesen, die das neue Leben in sich spürt und diesen traumhaften HCG-Wert mitgeteilt bekommt. Ich sehe mir Tabellen im Internet an. Heute ist auf eine normale Schwangerschaft umgerechnet ca. ES+19. 19 Tage nach Eisprung. Ich habe allerdings nicht gefragt, ob unsere Leihmutter einen Bluttest oder einen Urintest machte. Bei einem Urintest könnte der Wert schon fast auf Zwillinge hindeuten. Mein Mann bleibt wie versteinert. Keine Gesichtszuckung. Kein Lächeln. Starrer Blick. Es ist seine typische Art, positive Nachrichten zu verarbeiten.
Er braucht eine Zeit, bis er daran glauben kann, dass ihm Gutes widerfährt. Während ich an frühere Schwangerschaften zurückdenke und plötzlich wieder fühle, wie es war, dieses flaue Gefühl in der Magengrube, dieses Gefühl, dass etwas anders ist als sonst, wie plötzlich der Kaffee anders schmeckt und überhaupt alles anders riecht, versucht er erst einmal zu realisieren, was gerade geschieht.
In einer ihm unbekannten Frau wächst ein Embryo heran, der mit seinem Sperma aus dem Jahr 2018 entstanden ist. Es ist für ihn surreal. Er kommt sich vor wie in einem Science-Fiction-Film. Ich muss lachen. Das ist unsere Wirklichkeit.
Ein etwas verrücktes Leben. Ich antworte K., dass wir uns wahnsinnig freuen und unserer Leihmutter von Herzen schöne erste Wochen ohne Probleme wünschen. Der erste Ultraschalltermin ist am 21. Februar. Heute Abend stoße ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einen positiven Schwangerschaftstest an. Ungewohnt, ich muss lachen und weinen zugleich. Auf ein neues Leben. Auf ein neues Abenteuer!
Was ein HCG-Wert bedeutet, hat die Seite echtesmamas.de sehr schön beschrieben.
Heute macht unsere Leihmutter einen Schwangerschaftstest. R. verspricht, uns zu informieren, sobald Näheres bekannt ist.