Visionen von Menschen für Menschen. Unser persönlicher Blog zu unserem Kinderwunsch

Autor: Lydia (Seite 2 von 2)

Stoppt der Krieg das Vorhaben?

Heute hat meine Tochter J. einen Termin beim Frisör. Auf dem Weg dahin gebe ich einen großen Umschlag mit den Verträgen und Kopie der Heiratsurkunde bei der Post ab. Vor einigen Tagen ging schon alles per E-Mail raus, aber die Originale müssen per Post folgen. Die Sitzung beim Frisör zieht sich hin, es wird langsam dunkel, ich warte im Auto und höre Radio. Da kommt die Meldung: Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Mir wird schlecht. Tausend Gedanken im Kopf: Werden die Verträge ankommen? Werden sie aufgrund des beginnenden Kriegs storniert? Wird uns in diesem Fall das Geld erstattet? Stand was von höherer Gewalt in den Verträgen? Ich weiß es gerade nicht.

Die Geburt

Die Geburt sollte eingeleitet werden. Ich bekomme zuerst Propess® als Vaginalinsert. 24 Stunden danach ein Misodel®-Insert. Risiken werden nicht besprochen, eine Sectio in der Anamnese wird nicht weiter beachtet, obwohl sie eine Kontraindikation darstellt, wie ich später erfuhr. Stundenlang tut sich nichts, dann Wehensturm, Panik, Gebärmutterriss, hoher Blutverlust, Notkaiserschnitt, unser Sohn wird totgeboren, reanimiert und zur Kühlung nach Hannover gefahren. Ich wache nach 12 Stunden auf der Intensivstation auf und erinnere mich an nichts. Monate später können wir sagen, dass unser Kleiner alles gut überstanden hat – trotz schwerer Asphyxie und damit verbundener katastrophaler Prognosen, was uns zunächst verschwiegen wird. Erst im Gespräch mit anderen Ärzten in der Folgezeit wird uns das Ausmaß der möglichen Schädigung bewusst. Ich bin auch wieder gesund, mir wird jedoch von einer weiteren Schwangerschaft dringend abgeraten. Einige Ärzte sind da anderer Meinung, aber mein Mann hat die Katastrophengeburt hilflos miterlebt, er hat geweint und gebetet, als eine Krankenschwester ihm mitteilte, sie wisse nicht, ob Mutter und Kind gerettet werden könnten, und niemand, weder an jenem Tag im Krankenhaus noch in der Folgezeit, hat sich je erkundigt, wie er mit dem Trauma fertig wird. Wie viele Väter haben ein ähnliches Drama bei mehr oder weniger glücklichem Ausgang durchgemacht? Offene Berichte von Betroffenen finden wir nicht. Väter müssen alleine verarbeiten, dass sie Frau und Kind im Kreißsaal dem Tod nah oder gar tot sahen. Oder mit einem geistig oder körperlich beeinträchtigten Baby infolge der Asphyxie klarkommen. Unsere Bemühungen, das Krankenhaus zu verklagen oder zumindest im Wege der Schlichtung eine Entschädigung zu erhalten, verlaufen ins Leere. Schlimmer noch: Ich erhalte Hausverbot in der gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses. Unser Vertrauen in die Ärzte ist endgültig und irreparabel erschüttert. Aber mehr als der Kampf um Schadensersatz oder Schmerzensgeld quält uns die Vorstellung, nie ein gemeinsames zweites Kind bekommen zu dürfen. Dabei wünschen wir uns so sehr ein Geschwisterchen für unseren wunderbaren Sohn. So sehr, dass wir noch vor der Geburt bereits einen weiteren Eizellspenden-Vertrag mit BioTexCom unterschrieben hatten.

Vorgeschichte

2017. Mein Mann, 32 Jahre, ich, 51 Jahre, und ein Kinderwunsch. In Deutschland keine Chance. In Kiew schon. Für ein erstes Gespräch reise ich im Juli nach Brüssel. Dort hat BioTexCom eine Vertretung. Meine Schwester holt mich am Bahnhof ab, ich weihe sie in unser Vorhaben ein. Sie ist begeistert. Mein Mann ist nicht dabei, er muss arbeiten.

R., die deutschsprachige BioTexCom-Koordinatorin, erklärt mir, warum eine hormonelle Stimulation in meinem Alter nicht sinnvoll ist. Das Risiko ist groß, dass die gewonnenen Eizellen sich nicht erfolgreich befruchten lassen oder dass sich die Embryos nicht weiterentwickeln. Die Lösung für uns lautet:  Eizellspende. Es folgen erste medizinische Untersuchungen vor Ort. Ich nehme Verträge mit, die füllen wir später zu Hause aus. Mein Mann muss auch einige Untersuchungen über sich ergehen lassen, darunter ein Spermiogramm. Dann geht alles ganz schnell. Wir suchen eine Spenderin in der Datenbank aus, ich muss Hormone einnehmen, um die Gebärmutter auf eine Einnistung vorzubereiten, und im September 2017 sind wir zum ersten Mal in Kiew. 10 lange Tage in einer uns völlig fremden Welt. Die Befruchtung der gespendeten Eizellen findet in dieser Zeit im Labor der Klinik statt, mein erster Embryo-Transfer ebenso. Insgesamt fliege ich 7 Mal nach Kiew, ich fühle mich dort im Hotel Kiew 365 schon heimisch. Im Dezember 2018 nistet sich endlich ein Embryo ein und entwickelt sich weiter. Im selben Zeitraum ist mein Mann insgesamt 3 Mal dort alleine unterwegs, um seinen Anteil zu leisten. Nach einer traumhaften Schwangerschaft wird in der 40+2 SSW eine beginnende Präeklampsie festgestellt. Mein Mann fährt mich sofort ins Krankenhaus, und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Quelle: AdobeStock Kinderwunschbehandlung/VRD
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