Visionen von Menschen für Menschen. Unser persönlicher Blog zu unserem Kinderwunsch

Kategorie: Kinderwunsch (Seite 2 von 2)

Leihmutterschaft

Ich würde mich schon als experimentierfreudig bezeichnen, aber ich gestehe, vor einigen Jahren noch hätte ich mich nicht damit anfreunden können. Nun, man entwickelt sich weiter, die Erfahrungen des Lebens lassen heranreifen und viele Dinge aus neuen Perspektiven betrachten.

R. antwortet sofort. Die Kriterien für ein Leihmutterschaftsprogramm sind streng. Die Wunscheltern müssen verheiratet sein und es muss eine ärztliche Bescheinigung vorliegen, wonach die Frau medizinisch und gesundheitlich nicht in der Lage ist, ein (weiteres) Kind auszutragen. Ich übermittle ihr den OP-Bericht von 2019. Die Zusage kommt postwendend. Sie leitet mich an ihre Kollegin weiter, die Verträge – es sind viele – kommen noch am selben Tag per E-Mail. 2 Spalten, links urkainisch, rechts deutsch. Alles ist detailgenau geregelt. Wir entscheiden uns für das Programm „All inclusive Standard“ für 39.900 Euro mit einem Jahr Wartezeit. Mehr können wir finanziell nicht aufbringen, und auch das wird Fleiß, Sparsamkeit und Verzicht fordern. Wir haben viele Fragen über den Ablauf, V. antwortet. Eine erneute Gesundheitsprüfung ist nicht erforderlich, da unsere Daten bereits seit 2017 in Kiew vorliegen. Ein erster Versuch ist mit den Samenzellen möglich, die 2018 eingefrorenen wurden. Geschlechtsauswahl kostet 3.000 Euro pro Versuch, wenn wir das wollen. Nach der Geburt bleibt das Baby ein paar Tage im Krankenhaus. Wir müssen 4 bis 5 Wochen Aufenthalt für alle Formalitäten in Kiew einplanen. Während der Schwangerschaft dürfen wir Tonmaterial schicken, dass dann dem Baby im Bauch der Leihmutter abgespielt wird.

Für die Aufnahme auf die Warteliste müssen wir noch eine Anzahlung in Höhe von 8.000 Euro leisten.

Kein Alleingänger?

Zweieinhalb Jahre sind seit den dramatischen Ereignissen von 2019 vergangen. Wir haben eine Entscheidung getroffen. Ich muss weinen. Trauer, Frust, aber auch Dankbarkeit, Liebe und Hoffnung. Ein Wechselbad der Gefühle. Gestern Abend setzte sich Manuel zu mir aufs Bett. Er habe es sich überlegt, Unser Sohn soll kein Einzelkind bleiben. Aber er wolle auch nicht mehr riskieren, Frau und Kind zu verlieren. Sein Trauma ist noch nicht verarbeitet, ja kann man je so etwas verarbeiten? Deswegen sollte ich das Geschwisterkind bitte nicht selbst austragen. Das tut mir weh. Ich bin gerne schwanger. Und Fachleute gehen davon aus, dass der Austausch zwischen mütterlichem und kindlichem Körper epigenetisch eine gewisse Bedeutung hat und dazu beiträgt, das Kind aus mir fremdem Genmaterial ein wenig mit meinem eigenen genetischen Gut zu verbinden. Von dieser Vorstellung muss ich mich verabschieden. Andererseits: Mein Mann sorgt sich um mich und um sein Kind, seine Kinder, und will niemanden verlieren. Was für ein Liebesbeweis, nicht mit 50 roten Rosen oder einem Diamantring aufzuwiegen. Außerdem: Ist das nicht etwas egoistisch, sich genetisch mit einem Kind verbunden fühlen zu wollen? Blut ist dicker als Wasser? Denkste. Manches Kind tut seinen Eltern so verdammt weh, schlimmer kann es bei einem Adoptivkind kaum werden. Im Zuge der Trennung und Scheidung von meinem ersten Ehemann haben sich gleich zwei Töchter von mir abgewendet. Minderjährige lebensunerfahrene Mädchen, die sich anmaßten, über ihre Mutter urteilen zu können und zu dürfen. Die eine, mittlerweile verheiratet, verleugnet mich bis heute. Wenn sie eines Tages Kinder hat, wird sie vielleicht verstehen. Wie viele Adoptivkinder tun ihren Eltern so etwas an? Das versöhnt mich mit dem Gedanken, BioTexCom anzuschreiben.

Ergänzende Informationen

Im Falle einer Leihmutterschaft muss die Wunschmutter das von der Leihmutter ausgetragene Kind in Deutschland legal adoptieren, damit es rechtlich ihr Kind wird – unabhängig davon, ob es aus einer Eizellspende oder aus den eigenen Eizellen der Wunschmutter entstanden ist. Ein Kind kann somit 3 Mütter haben: Die Eizellspenderin ist die genetische Mutter, die Leihmutter ist die biologische Mutter und die Wunschmutter ist die soziale Mutter.

[Update vom Januar 2023]
Entscheidung eines ukrainischen Gerichts als eine Alternative zur Adoption des eigenen Kindes

Nach ukrainischem Recht (Artikel 123 des ukrainischen Familiengesetzbuches) ist ein verheiratetes heterosexuelles Paar Eltern des Kindes, das unter Einsatz assistierter Reproduktionstechnologien gezeugt und in den Körper einer anderen Frau übertragen wurde. Dementsprechend werden in der ukrainischen Geburtsurkunde Eheleute, die eine Leihmutterschaft in Anspruch genommen haben, als Eltern des Kindes aufgeführt.

Leider erfolgt in Deutschland keine automatische Anerkennung der ukrainischen Geburtsurkunde. Für die Feststellung der Abstammung des Kindes reicht die ukrainische Geburtsurkunde nicht aus (BGH ХІІ ZB 320/17: „Die Eintragung im ukrainischen Geburtenregister stellt ebenso wie eine aufgrund dessen ausgestellte Geburtsurkunde keine anerkennungsfähige Entscheidung im Sinne von § 108 Abs. 1 FamFG dar.“

Deswegen musste die Wunschmutter bis jetzt ein Adoptionsverfahren durchlaufen, um in Deutschland rechtlich als Mutter ihres Kindes anerkannt zu werden.

Andererseits werden gemäß §108 Abs.1 FamFG („Anerkennung ausländischer Entscheidungen“) sämtliche Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte und Behörden (abgesehen von Entscheidungen in Ehesachen) anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Demnach ist ein Beschluss des zuständigen Gerichts in der Ukraine, der die Elternschaft der Wunscheltern juristisch feststellt, ein in Deutschland anzuerkennendes Dokument. Einige deutsche Standesämter erkennen deshalb bereits dieses Dokument ohne Weiteres an; andere werden folgen.

Diese Vorgehensweise ist einfacher als eine Adoption. Sie führt im Ergebnis ebenfalls zur Ausstellung einer deutschen Geburtsurkunde, in der beide Elternteile (Wunscheltern) als Eltern eingetragen sind. Sie nimmt nur 2 bis 3 Monate in der Ukraine in Anspruch. Die Gerichtsentscheidung wird den Wunscheltern in beglaubigter Form und mit Apostille zugestellt.

(Quelle: https://www.facebook.com/photo/?fbid=634871258638116&set=a.1483619585109263)

Stoppt der Krieg das Vorhaben?

Heute hat meine Tochter J. einen Termin beim Frisör. Auf dem Weg dahin gebe ich einen großen Umschlag mit den Verträgen und Kopie der Heiratsurkunde bei der Post ab. Vor einigen Tagen ging schon alles per E-Mail raus, aber die Originale müssen per Post folgen. Die Sitzung beim Frisör zieht sich hin, es wird langsam dunkel, ich warte im Auto und höre Radio. Da kommt die Meldung: Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Mir wird schlecht. Tausend Gedanken im Kopf: Werden die Verträge ankommen? Werden sie aufgrund des beginnenden Kriegs storniert? Wird uns in diesem Fall das Geld erstattet? Stand was von höherer Gewalt in den Verträgen? Ich weiß es gerade nicht.

Die Geburt

Die Geburt sollte eingeleitet werden. Ich bekomme zuerst Propess® als Vaginalinsert. 24 Stunden danach ein Misodel®-Insert. Risiken werden nicht besprochen, eine Sectio in der Anamnese wird nicht weiter beachtet, obwohl sie eine Kontraindikation darstellt, wie ich später erfuhr. Stundenlang tut sich nichts, dann Wehensturm, Panik, Gebärmutterriss, hoher Blutverlust, Notkaiserschnitt, unser Sohn wird totgeboren, reanimiert und zur Kühlung nach Hannover gefahren. Ich wache nach 12 Stunden auf der Intensivstation auf und erinnere mich an nichts. Monate später können wir sagen, dass unser Kleiner alles gut überstanden hat – trotz schwerer Asphyxie und damit verbundener katastrophaler Prognosen, was uns zunächst verschwiegen wird. Erst im Gespräch mit anderen Ärzten in der Folgezeit wird uns das Ausmaß der möglichen Schädigung bewusst. Ich bin auch wieder gesund, mir wird jedoch von einer weiteren Schwangerschaft dringend abgeraten. Einige Ärzte sind da anderer Meinung, aber mein Mann hat die Katastrophengeburt hilflos miterlebt, er hat geweint und gebetet, als eine Krankenschwester ihm mitteilte, sie wisse nicht, ob Mutter und Kind gerettet werden könnten, und niemand, weder an jenem Tag im Krankenhaus noch in der Folgezeit, hat sich je erkundigt, wie er mit dem Trauma fertig wird. Wie viele Väter haben ein ähnliches Drama bei mehr oder weniger glücklichem Ausgang durchgemacht? Offene Berichte von Betroffenen finden wir nicht. Väter müssen alleine verarbeiten, dass sie Frau und Kind im Kreißsaal dem Tod nah oder gar tot sahen. Oder mit einem geistig oder körperlich beeinträchtigten Baby infolge der Asphyxie klarkommen. Unsere Bemühungen, das Krankenhaus zu verklagen oder zumindest im Wege der Schlichtung eine Entschädigung zu erhalten, verlaufen ins Leere. Schlimmer noch: Ich erhalte Hausverbot in der gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses. Unser Vertrauen in die Ärzte ist endgültig und irreparabel erschüttert. Aber mehr als der Kampf um Schadensersatz oder Schmerzensgeld quält uns die Vorstellung, nie ein gemeinsames zweites Kind bekommen zu dürfen. Dabei wünschen wir uns so sehr ein Geschwisterchen für unseren wunderbaren Sohn. So sehr, dass wir noch vor der Geburt bereits einen weiteren Eizellspenden-Vertrag mit BioTexCom unterschrieben hatten.

Vorgeschichte

2017. Mein Mann, 32 Jahre, ich, 51 Jahre, und ein Kinderwunsch. In Deutschland keine Chance. In Kiew schon. Für ein erstes Gespräch reise ich im Juli nach Brüssel. Dort hat BioTexCom eine Vertretung. Meine Schwester holt mich am Bahnhof ab, ich weihe sie in unser Vorhaben ein. Sie ist begeistert. Mein Mann ist nicht dabei, er muss arbeiten.

R., die deutschsprachige BioTexCom-Koordinatorin, erklärt mir, warum eine hormonelle Stimulation in meinem Alter nicht sinnvoll ist. Das Risiko ist groß, dass die gewonnenen Eizellen sich nicht erfolgreich befruchten lassen oder dass sich die Embryos nicht weiterentwickeln. Die Lösung für uns lautet:  Eizellspende. Es folgen erste medizinische Untersuchungen vor Ort. Ich nehme Verträge mit, die füllen wir später zu Hause aus. Mein Mann muss auch einige Untersuchungen über sich ergehen lassen, darunter ein Spermiogramm. Dann geht alles ganz schnell. Wir suchen eine Spenderin in der Datenbank aus, ich muss Hormone einnehmen, um die Gebärmutter auf eine Einnistung vorzubereiten, und im September 2017 sind wir zum ersten Mal in Kiew. 10 lange Tage in einer uns völlig fremden Welt. Die Befruchtung der gespendeten Eizellen findet in dieser Zeit im Labor der Klinik statt, mein erster Embryo-Transfer ebenso. Insgesamt fliege ich 7 Mal nach Kiew, ich fühle mich dort im Hotel Kiew 365 schon heimisch. Im Dezember 2018 nistet sich endlich ein Embryo ein und entwickelt sich weiter. Im selben Zeitraum ist mein Mann insgesamt 3 Mal dort alleine unterwegs, um seinen Anteil zu leisten. Nach einer traumhaften Schwangerschaft wird in der 40+2 SSW eine beginnende Präeklampsie festgestellt. Mein Mann fährt mich sofort ins Krankenhaus, und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Quelle: AdobeStock Kinderwunschbehandlung/VRD
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